vonLena Redecker & Alexander GussenberginUX/UI

Die Anforderungen von Nutzer:innen an digitale Produkte und Services sind in den letzten Jahren immens gestiegen. Für die Anbieter ist es zu einer großen Herausforderung geworden, User mit ihren Angeboten zu überzeugen. Warum eine konsequente Nutzerzentrierung elementar für ein erfolgreiches Produkt ist und wie es gelingen kann, den User-Fokus dauerhaft in der Softwareentwicklung zu verankern, möchten wir im folgenden Beitrag erläutern.

Langes Suchen nach einer benötigten Information, ein schleppender Bestellprozess, die mangelnde Bedienfreundlichkeit einer App: All das sind Merkmale, mit denen digitale Produkte oder Services heutzutage nur noch selten auf dem Markt bestehen können. Entsprechende Anwendungen nutzerfreundlich auszurichten, ist längst kein „Nice-to-have“ mehr. Die Toleranz für schlecht designte Dienste bewegt sich gen Null.

Mehr denn je zeigt sich, dass die individuelle Ausrichtung von digitalen Produkten auf die tatsächlichen Bedürfnisse der potenziellen User eine zwingende Voraussetzung für eine hohe Zufriedenheit ist. Nur wenn diese vorhanden ist, werden Angebote auch dauerhaft genutzt und der Weg führt nicht nach wenigen Klicks zum Produkt eines Mitbewerbers.

Erfolgsfaktor: Tatsächliche Bedürfnisse der Zielgruppe erfassen

Auch wenn die Folgen einer nicht nutzerzentrierten Entwicklung auf der Hand liegen, führen Kostenaspekte in der Praxis häufig dazu, dass die Bedürfnisse der User nicht konsequent im Blick behalten werden. Statt nachhaltige Investitionen in jene Instrumente zu tätigen, mit denen sich die tatsächlichen Needs einer Zielgruppe erfassen lassen – etwa kontinuierliche User-Research- und Testing-Formate – werden entsprechende Aktivitäten oft erst gar nicht mit eingeplant oder leichtfertig gestrichen, um vermeintlich schneller in der Entwicklung eines Produktes voranzukommen.

Ökonomisch betrachtet ein inkonsequenter Ansatz. Durch den Verzicht auf Maßnahmen, mit denen sich eine hohe Nutzerzentrierung sicherstellen lässt, können Anbieter von Produkten und digitalen Services zwar zunächst zeitliche Ressourcen und somit Geld sparen. Das Risiko, dass ein Produkt dadurch an den Usern vorbei entwickelt wird, dieses später floppt, weil es nicht genutzt wird, und das Projektergebnis hinter den Erwartungen zurückbleibt, steigt stattdessen ungemein. So ist es heute unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nahezu fahrlässig, die Nutzerzentrierung bei der Produktentwicklung außen vor zu lassen.

Leitfragen für eine nutzerzentrierte Produktentwicklung

Doch wie gelingt es konkret, Produkte und Services nutzerzentriert zu entwickeln? Wie lassen sich die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen identifizieren? Und wie schafft man es, den Fokus auf die User dauerhaft beizubehalten und die Produktentwicklung nachhaltig auf sie auszurichten? In unseren Projektteams bei slashwhy helfen uns neben etablierten Workshop-Formaten folgende Fragen dabei, uns während des gesamten Entwicklungsprozesses in die Perspektive der Nutzer:innen zu versetzen.

Werden die Nutzer:innen von Beginn an in die Entwicklung mit einbezogen?

Die „echten“ User bereits zu Beginn eines Projekts mit an den Tisch zu holen, ist essenziell für den Entwicklungsprozess. Die Gefahr, sich initial auf falsche Annahmen und Spekulationen über die anvisierte Zielgruppe zu stützen und infolgedessen Lösungen zu entwickeln, die nicht den gewünschten Mehrwert bieten, ist groß. Hier lautet unser Credo: Mit den Nutzer:innen reden und nicht über sie. Hierfür ist es erforderlich, sehr früh im Projekt echte Nutzer:innen zu befragen oder – noch besser – diese direkt in die initialen Workshop-Formate zur Identifikation ihrer Bedürfnisse einzubeziehen. So schaffen wir es, Business-Ziele, technische Rahmenbedingungen und Mehrwert für Nutzer:innen bestmöglich in Einklang zu bringen.

Testen wir kontinuierlich unsere Ideen, um User Feedback zu erhalten?

Keine Frage: Es erfordert hin und wieder Mut, erste Entwicklungsergebnisse, Prototypen oder auch vermeintlich fertige Produkte schonungslos, aber vor allem kontinuierlich auf den Prüfstand zu stellen. Denn natürlich besteht das Risiko, dass von einem Moment auf den nächsten Fehleinschätzungen oder Schwächen des Produktes ans Licht kommen. Dies kann bei zu spät gewählten Zeitpunkten aufwendige Veränderungen nach sich ziehen und ist dann besonders unangenehm. Im schlimmsten Fall - ohne jegliche UX-Maßnahmen - werden Probleme eines Produktes erst nach dem Release festgestellt. Schlechte Reviews aus dem App Store oder Rückmeldungen über den Kundenservice sind in diesem Fall noch als wertvolles Feedback anzusehen, die zu einer Weiterentwicklung der Anwendung führen können. In anderen Fällen gestaltet es sich für die Nutzer:innen schwieriger. Im B2B-Umfeld bleibt häufig nur die Möglichkeit, Workarounds zu finden und die schlechte Usability stillschweigend zu ertragen.

Vorteile von kontinuierlicher Evaluation der Produktideen durch Nutzerfeedback sind:

  • Minimierung des Risikos, ein nicht existierendes Problem oder eins mit wenig Priorität zu lösen. Es wird erst gar kein Aufwand investiert in Ideen, die kaum Mehrwert liefern würden.

  • Optimierungsbedarf wird frühzeitig validiert und das Produkt kann passgenau weiterentwickelt werden.

  • Ressourcen können aufgrund des validen Feedbacks gezielt eingesetzt werden.

So rentiert sich die Investition in UX-Maßnahmen, weil sie die Risiken von Fehlinvestitionen gering hält. Für Nutzer:innen bedeutet es gleichzeitig die Beteiligung am Entwicklungsprozess und dadurch höhere Zufriedenheit mit dem Produkt oder Service.

Werden besondere Nutzungsszenarien und -kontexte berücksichtigt?

Was nützt eine technisch hochwertige Software mit aufwendig entwickelten Features, wenn beispielsweise die Nutzung durch Licht, Lärm oder Wetter beeinflusst wird? Um die gute Usability eines Produktes zu gewährleisten, sollte deshalb eine Reihe von Aspekten mitbedacht werden: Beispielsweise auf welchen Endgeräten wird eine App genutzt? Befinde ich mich drinnen oder draußen? Werden durch Design und Bedienbarkeit Nutzergruppen ausgeschlossen? Finden aktuelle Accessibility-Standards Anwendung?

Damit ein Produkt im späteren Nutzungskontext optimal eingesetzt werden kann, sollten die äußeren Rahmenbedingungen zu Beginn untersucht werden und in die Produktentwicklung einfließen. Oftmals sind User nur begrenzt dazu im Stande mitzuteilen, wie eine Anwendung funktioniert oder wie sie mit ihr interagieren. Sehr häufig tun sie unbewusst etwas, das sie verbal aber ganz anders beschreiben. Gerade unter diesen Aspekten liefern Untersuchungen, wie Interviews oder Beobachtungen im Feld, wertvolle Erkenntnisse. Darauf können spätere Test- und Evaluationsmaßnahmen aufbauen, in denen das entstehende Produkt im realen Kontext auf die Probe gestellt wird.

Helfen wir den Nutzer:innen, ihre Ziele zu erreichen?

Leicht verliert man sich in der Entwicklung eines Produktes in technischen Details. Daraus resultiert oftmals ein fortlaufender Zuwachs von Funktionalitäten, was schließlich zu einer technologischen Überfrachtung und Überforderung der User führt. Umso wichtiger ist es, diese Frage während einzelner Entwicklungsschritte immer wieder zu stellen: Helfen wir den Nutzer:innen mit unserem Produkt, ihre Ziele zu erreichen?

Agiles Arbeiten sowie der menschzentrierte Designprozess sind iterativ angelegt. Kontinuierliche Verbesserung und nachhaltiges Lernen gehören also zum Mindset dazu. Dies beinhaltet auch das Bewusstsein, dass Fehler unbedingt zum Lernen dazu gehören. Manche Ideen werden lange weiter verfolgt, Features mitgeschleift. Die Gründe hierfür sind oft komplex - wie Softwareentwicklung ist. Sich dann aber radikal von solchen Lösungsansätzen zu trennen fällt schwer - auch das ist menschlich. Dieses Phänomen ist sogar bekannt als "Too Much Invested to Quit Syndrom" oder "Sunk Cost Fallacy". Gerade in solchen Fällen ist der Kontakt zu Nutzer:innen immens wichtig. Nichts ist eindeutiger und schonungsloser als Nutzerinterviews, in denen dem Entwicklungsteam der Spiegel vorgehalten wird: Ich brauche dieses Feature gar nicht! Ich habe das noch nie benutzt. Normalerweise mache ich das ganz anders.

Sind Nutzer- und Businessziele im Einklang?

Es bleibt festzuhalten: Damit das erhoffte Geschäftsziel eines Produktes erreicht werden kann, muss dieses von den Usern akzeptiert und genutzt werden. Eine kontinuierliche und bewusste Nutzerzentrierung in der Entwicklung eines Produktes schafft hierfür die elementaren Voraussetzungen. Wer die Nutzer:innen mit ihren Bedürfnissen und Zielen in der Entwicklung nicht konsequent einbezieht, läuft Gefahr, auch den Business Outcome eines Produktes zu verfehlen.

Die wesentliche Herausforderung besteht also darin, die Nutzer- und Businessziele bestmöglich in Einklang zu bringen. Dies sollte jedoch nicht als eine reine Budgetfrage missverstanden werden, es geht vielmehr um ein konsequentes Mindset in der Produktentwicklung. Auch bei kleinen Budgets ist eine starke Fokussierung auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Nutzer:innen möglich und wichtig. Wir sind überzeugt: Den Bedürfnissen der User während des gesamten Entwicklungsprozesses ausreichend Aufmerksamkeit zu schenken, ist ein Invest, das sich am Ende auszahlt – sowohl für die Nutzer:innen eines Produktes als auch für Anbieter.

Über die Autor:innen

  • lena-redecker-slashwhy

    Über Lena Redecker

    Lena ist User Experience Designer bei slashwhy und fühlt sich da zu Hause, wo sich intelligente Konzepte mit detailreichen und ästhetischen Designs verbinden lassen. Sie liebt es, Interaktionen zwischen Mensch und Software zu beobachten, zu verstehen und ist stets auf der Suche nach neuen Erkenntnissen und Inspiration.

  • alexander-gussenberg-slashwhy

    Über Alexander Gussenberg

    Erst mit der nötigen Leidenschaft und Erfindergeist können gemeinsam digitale Innovationen geformt werden. In solch agilen Prozessen ist Alex als Senior User Experience Designer bei slashwhy aktiv. Er ist davon überzeugt, dass man in einer Sache nur gut sein kann, wenn sie einem Spaß macht. Was er macht, erfüllt ihn mit Stolz und Freude. Mit dieser Begeisterung geht er als Teil eines agilen Teams neue Herausforderungen an, um nutzerzentrierte Lösungen zu schaffen.