Why agile - warum agil?

Ein Blick auf moderne Werteversprechen aus der Brille der Softwareentwicklung

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Bild & Video: istockphoto.com/Radachynskyi

In allen Lebensbereichen stellt sich die Frage, ob etablierte Organisationen langfristig gesehen überleben oder disruptive Veränderungen unsere Zukunft gestalten werden. Wer hätte damit gerechnet, dass ein Unternehmen wie Uber einmal die über Jahrzehnte etablierte Taxi-Branche umkrempeln würde? Oder dass Unternehmungen wie Airbnb eine alteingesessene Branche wie den Tourismus derart stark beeinflussen werden?

Ein überaus spannendes und vielseitiges Thema, dem wir uns heute aus der Perspektive der Softwareentwicklung widmen möchten. Wir möchten dabei helfen zu verstehen, warum wir von mehr Agilität profitieren, was den Kern von Agilität ausmacht und an welcher Stelle es die richtige Methode ist, um Probleme zu lösen. Oder anders gesagt: Wir möchten euch mit diesem Beitrag inspirieren, denn wir sind überzeugt, dass in der Agilität die Lösung für so manche große Herausforderung liegt.

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Agilität liegt in unserer Natur

Stell dir vor, du hast einen Kindergeburtstag geplant. Es gibt einen genauen Ablaufplan, was das Essen des Kuchens betrifft, die anschließende Schnitzeljagd usw. Wird ein Kindergeburtstag genauso ablaufen, wie ursprünglich geplant? Auf keinen Fall!

Das Leben ist unberechenbar: Es ist nicht deterministisch, unterliegt einem ständigen Wandel und ist daher nicht planbar. Im Kleinen wie im Großen, im Privaten wie auch in der Öffentlichkeit oder in der Wirtschaft – oder wie in unserem speziellen Fall, in der Softwareentwicklung. Genau aus diesem Grund ist der agile Ansatz häufig erfolgsversprechender als starre Modelle wie Wasserfall und Co.

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Die gute Nachricht ist: Menschen bringen von Natur aus schon alles mit, um agil zu arbeiten. Wir sind Meister der Anpassung, wir sind neugierig. Denn Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Dinge, die sich nicht eindeutig bewerten lassen, sind Teil unseres Alltags und unserer Arbeit.

Kinder verhalten sich ganz selbstverständlich agil. Als Erwachsene jedoch müssen wir uns dieses natürliche Vorgehen erst ein Stück weit zurückerobern: Im Laufe unserer Sozialisierung und unseres Bildungsweges durch vorgegebene Schemata und gewünschte Verhaltensmuster kommt es uns gewissermaßen abhanden.

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Warum ist agiles Arbeiten wichtig? copied!

Die Herausforderungen, denen wir uns in einer modernen Arbeitswelt stellen müssen, sind dabei nicht neu: Tatsächlich dreht sich die Welt bedingt durch zunehmende Technologisierung und Globalisierung und den damit einhergehenden Risiken nur schneller als noch vor einigen Jahren. Inspect and Adapt, das heißt überprüfen und anpassen – das ist der Kern von Agilität und des entsprechenden Mindsets.

Jeder von uns trägt seine eigene Werkzeugkiste – eine Toolbox – mit sich herum. Diese ist gefüllt mit verschiedensten Verfahren, fertigen Anleitungen und Methoden, die wir in der Schule, Ausbildung und im Studium erlernen. Viele dieser Werkzeuge wenden wir in drei Schritten an:

  • Wir beginnen mit der Analyse und Zerlegung des Problems, um Wissen über die Zusammenhänge zu erlangen.
  • Wir glauben, dass diese Zusammenhänge einer klaren Beziehung von Ursache von Wirkung unterliegen und so einen deterministischen Charakter haben. Basierend auf dieser Annahme planen wir einen Lösungsansatz.
  • So entsteht eine mitunter bis zum Perfektionismus entwickelte Lösung, die dann in der realen Welt “implementiert” wird. Dabei gleichen wir die Theorie mit der Praxis ab und gehen davon aus, dass unser Lösungsansatz wie angenommen funktioniert.
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Die Toolbox mit den richtigen Werkzeugen füllen. copied!

Unsere Werkzeugkisten sind oft – basierend auf unserem Bildungssystem – recht ähnlich gefüllt. Und unsere Toolbox funktioniert viele Jahre außerordentlich gut, doch es kommt immer häufiger zu Situationen, in denen unsere Werkzeuge nicht oder nicht wie gewünscht ihren Dienst verrichten. Das liegt nicht daran, dass wir die Werkzeuge falsch verwenden, sondern vielmehr daran, dass das Werkstück nicht zum Werkzeug passt.

Heute haben wir diesen Umstand erkannt und verstanden, außerdem stehen uns Werkzeuge zur Verfügung, die in manchen Situationen besser funktionieren. Der- oder diejenige, der diese neuen Werkzeuge beherrscht, hat also einen klaren Wettbewerbsvorteil. Und je häufiger dieser genutzt wird, desto kritischer wird das für die anderen.

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Herausforderungen kategorisieren

Herausforderungen lassen sich mittels Cynefin-Framework von Dave Snowden in vier verschiedene Kategorien von „Problemen“ einordnen: Einfache Probleme, Komplizierte Probleme, Komplexe Probleme und Chaotische Probleme. Das erforderliche Vorgehen zum Lösen der verschiedenen Arten von Problemen unterscheidet sich.

Einfache und komplizierte Probleme

Diese Probleme sind Bestandteil der Gruppe der geordneten Probleme. Sie haben eine maschinelle, deterministische Eigenschaft und entstehen durch Unwissenheit. Sie können aber durch Wissen gelöst werden und unser bisheriger Werkzeugkoffer ist für diese Probleme gut ausgerüstet. Wir verwenden hier nach dem Vorbild von Gerhard Wohland eine „blaue“ Farbnotation.

Komplexe und chaotische Probleme

Diese gehören zu der Gruppe der ungeordneten Probleme. Sie sind lebendig, nicht deterministisch und zeichnen sich vor allem durch eins aus: Überraschungen. Überraschungen entstehen durch etwas Neuartiges wie beispielsweise eine frische Idee, eine Innovation oder die Unberechenbarkeit des Menschen und der Natur. Nennen wir sie „rote Probleme“. Es gibt zunehmend mehr dieser Probleme und unsere klassischen Werkzeuge funktionieren hier nicht.

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Probleme können kompliziert oder komplex sein.

Blaue oder rote Probleme?

Agile Methoden erweitern unseren Werkzeugkasten um rote Werkzeuge, die in komplexen und chaotischen Situationen funktionieren: In unsicheren Situationen, in denen die Situation nicht planbar und vorhersagbar ist, und mit Überraschungen gerechnet werden muss. Agilität ist in erster Linie also keine Frage der Effizienz, sondern der Effektivität.

Die meisten Probleme sind lila, denn sie enthalten sowohl blaue als auch rote Anteile. 

Allerdings solltest du beachten, dass die roten Anteile in vielen Branchen – so auch in der Softwareentwicklung – zunehmend häufiger auftreten. Dass sich andere besser in der modernen Arbeitswelt bewegen können als wir, zwingt uns dementsprechend zum Umdenken und zu einer agileren Strukturierung unserer Arbeit.

Rote (agile) Werkzeuge funktionieren auch für blaue Probleme, wenn auch nicht immer so effizient. Mal angenommen, man möchte ein Polizeiauto aus Klemmbausteinen bauen: Hierbei zeigt die Anleitung einen Weg zum Zusammensetzen der Bausteine auf. Ist diese Anleitung nicht vorhanden, kann man sich agil herantasten und trotzdem zum gewünschten Ergebnis kommen. Dank roter Werkzeuge ist es also möglich, die Lösung zu finden. Allerdings ist der Weg dorthin etwas umständlicher, als wenn man blaue Werkzeuge genutzt hätte.

Fazit: Du kannst also mit agilen Methoden bei Unwissenheit auch im blauen Bereich relativ risikofrei agieren, und dabei das nötige Wissen aufbauen, um auf ein blaues Werkzeug zu wechseln. Einzige Gefahr: Für Außenstehende und Erfahrenere könnte dieses Vorgehen etwas dilettantisch wirken.

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Wer die Regeln versteht, versteht noch lange nicht das Spiel. copied!

Agilität gilt heute als Mainstream. Denn es dürfte kaum jemanden geben, der nicht zumindest davon gehört hat. In vielen Branchen ist agiles Arbeiten bereits angekommen, in anderen fragt man sich, wie man agiler werden kann. Das ist gut. Aber genau dieser Mainstream ist es, der dir – ja, gemeint bist du, liebe Leserin oder lieber Leser! – im Weg stehen wird.

Warum? Nun, das tiefergehende Verständnis von Agilität sinkt proportional mit der Anzahl der Menschen, die sie meinen zu praktizieren – oder agile Methoden verkaufen oder implementieren wollen. Der Begriff verkommt zu einer leeren Worthülse, einem bloßen Schmuckwort, das aufgrund falscher Anwendung oftmals nicht mehr das transportiert, was Agilität eigentlich ausmacht. Tatsache ist, dass längst nicht überall, wo agil drauf steht, auch agil drin ist.

Was ist hier die Ursache? Die meisten Personen werden von Werteversprechen angezogen und finden daher einen unpassenden Zugang zum Thema Agilität. Diverse Frameworks geben die Spielregeln vor, der Weg zum agilen Arbeiten erscheint sehr einfach. Die Erwartungshaltung ist enorm groß, aber häufig auch unrealistisch: Es ist ein Irrglaube, dass man Agilität in all ihren Facetten verstanden hat, weil man beispielsweise Scrum anzuwenden weiß.

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Bild: Torsten Irländer

Mehrwerte durch Agilität schaffen

Wenn du dich fragst, ob du agil arbeitest, liegt die Antwort nicht darin, ob du Scrum formal richtig anwendest. Vielmehr ist entscheidend, ob agile Prinzipien (vgl. Graphik oben "12 Prinzipien zur agilen Arbeit) mit den passenden Denkwerkzeugen angewendet werden, ob das grundlegende Mindset vorhanden ist. Wohland unterscheidet folgendermaßen:

  • Wissen (blau): Lernen, Regeln, Methoden, Prozesse, Verhalten, Steuern, Plan, Ziel
  • Ideen (rot): Üben und Können, Prinzipien, Werkzeuge, Projekte, Kultur, Führen, Strategie, Optionen

Wir können durch Agilität viel erhalten, aber das meiste von dem, was wir erhalten können, ergibt sich aus einer Eigenschaft, die es uns erlaubt in komplexen Umgebungen erfolgreich zu sein: Risikominimierung. Oder anders gesagt es erhöht die Chance erfolgreich zu sein, wenn wir die richtigen Werkzeuge einzusetzen wissen. Erfolg macht zufrieden – und darauf kommt es doch an.

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slashwhy

Wir sind Partner im Bereich der Individualentwicklung von nutzerzentrierten Software-Anwendungen. Auf Basis agiler Methoden beraten und begleiten wir Unternehmen bereits konzeptionell in frühen Phasen der Entwicklung digitaler Produkte und Geschäftsmodelle bis hin zur Realisierung und Weiterentwicklung maßgeschneiderter Lösungen.